Alexander : Roman der Utopie by Klaus Mann

Alexander : Roman der Utopie by Klaus Mann

Autor:Klaus Mann [Mann, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: AngefangenEpub, Roman
Herausgeber: S. Fischer
veröffentlicht: 1930-12-31T23:00:00+00:00


II

Vom Hochtale Kabul führen sieben Pässe über den Hindukusch zum Stromgebiete des Oxos.

Als der Befehl Alexanders an die Armee erging, daß das Gebirge zu überschreiten sei, glaubten die Soldaten, nun sei er wirklich von Sinnen. Sie wußten von keinem Beispiel aus der Geschichte aller Zeiten und Völker, daß ein Heer dazu imstande gewesen wäre, ein solches Gebirge zu nehmen. Obendrein war es Winter, und man wußte, daß Bessos, immer weiter östlich entweichend, das Land ausgeplündert und verwüstet hatte. Sie murrten, aber Alexander trat vor sie hin. Er blitzte und reckte sich wie vor den großen Entscheidungsschlachten.

»Wenn nichts anderes – dieser Gebirgsübergang wird euch unsterblich machen. Euch darf nichts unmöglich sein, ich bin euer König.«

Es wurde noch grauenhafter, als man gefürchtet hatte. Um nicht zu verhungern, mußte man die Pferde schlachten; das Wasser, das man in Schläuchen mit sich führte, ging aus. Man aß Schnee, rohes Fleisch. Die Dörfer, durch die man kam, konnten nichts bieten, kein Brot und kein Bett. Viele erfroren, stürzten ab oder blieben am Wege.

Am fünfzehnten Tage erreichte man die erste baktrische Siedlung, Drapsaka, wenig Zeit später die Hauptstadt. Überall war Bessos eben aufgebrochen, gen Osten entwichen. Es schien, daß er die Mazedonen locken wollte, sie narren, sie immer weiter verführen ins Innerste dieses Asien hinein, das unendlich sein mußte.

Nun freilich waren sie in seinem Herzen, man sagte sich, daß hier das Geburtsland des Zarathustra sei. So hatte sich von hier aus die Lehre des Guten und Bösen über ganz Iran verbreitet.

Mit einem verfinsterten und ehrfurchtsvollen Blick schaute über diese majestätische und kahle Landschaft Alexander. Wie harmlos war, mit ihrer Unerbittlichkeit verglichen, die verbuhlte Üppigkeit Kleinasiens und des fetten Babylon. Hier hoben in einer grenzenlosen Ebene von Geröll und Dürre urwelthaft zerklüftete Berge ihre schwärzlichen Krater. Angesichts dieser grausamen Landschaft erkannte mit zusammengebissenen Zähnen der König: jetzt wurde es ernst.

Denn noch einen Schritt weiter, und die endgültige Wildnis war da. Die absolute Öde tat sich auf, wo keine Länder mehr voneinander abgegrenzt waren, wo man weder Perser noch Griechen, weder Zarathustra noch Dionysos kannte. Dort hausten die Skythen, die Menschenfleisch essen.

»Wir sind an der Grenze«, dachte, angesichts dieser Landschaft, Alexander mit Grauen. –

Man mußte von Baktra aufbrechen; denn Bessos war schon in Sogdiana, mit ihm eine Reiterarmee und etliche Große, unter denen der heuchlerische Satibarzanes und ein sehr gefährlicher Mann namens Spitamenes, Satrap von Sogdiana.

Bessos, so zäh und muskulös er war, schien angegriffen. Seitdem er die Gewalt hatte, war er so konsequent und klug nicht mehr wie zu der Zeit, da er noch tückisch nach ihr trachtete. Der finsteräugige Mongole war von einem gewissen barbarischen Elan gewesen. Seitdem er sich Ataxerxes nennen ließ, wußte er nichts mehr als fliehen.

So bekamen seine Freunde ihn satt, vor allem der gerissene Spitamenes. Eines Tages sandte er Boten an Alexander, die den Aufenthalt des Bessos verrieten. Alexander bedankte sich, sandte seinen Leibwächter Ptolemaios mit 6.000 Mann hin. Endlich hatte man diesen Unangenehmsten aller Feinde.

Er mußte schauerlich büßen. Der gereizte und erschöpfte Alexander wollte ihn winseln sehen. So gab er Befehl, ihn



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